Bewegungsdrang bei Demenz – Lösungen suchen nach Schenkelhalsbruch

Herr Kuno, wohnt seit zwei Tagen in einem Pflegeheim, er lebt mit einer Alzheimer-Demenz dazu hat er vor einer Woche einen Schenkelhalsbruch erlitten. Diese Veränderungen – der Umzug in eine neue Umgebung, die Konfrontation mit vielen unbekannten Menschen und die körperliche Einschränkung durch den Bruch – scheinen bei Herrn Kuno einen starken Bewegungsdrang auszulösen.

Immer wieder unternimmt Herr Kuno Versuche aufzustehen und bewegt sich dabei sehr unsicher an Tischen und Wänden entlang. Dieses Verhalten beunruhigt das uns verständlicherweise, da die Gefahr eines erneuten Sturzes besteht. Unsere Versuche, Herrn Kuno zum Sitzen zu bewegen, scheinen jedoch seinem dringenden Bedürfnis nach Bewegung und Orientierung entgegenzustehen und führen in Frustration und Unruhe. Wir vermuten, dass sein Bewegungsdrang wahrscheinlich ein Ausdruck seiner Verwirrung und seines Versuchs ist, sich in seiner neuen und durch die Demenz veränderten Realität zurechtzufinden

“Gehstuhl” statt Rollstuhl

Um Herrn Kuno eine sichere Möglichkeit zur Bewegung zu bieten, beschliessen wir seinen Rollstuhl möglichst in einen «Gehstuhl» anzupassen:

Anpassung:

Armlehnen und Fußstützen wurden entfernt, um Hr. Kuno maximale Bewegungsfreiheit für seine Beine zu gewährleisten.
Die Sitzhöhe wurde so gewählt, dass Herr K. seine Füße bequem auf dem Boden abstützen kann.
Die Sitzfläche wurde zu einer flachen Sitzfläche umgestellt.
Die Seitenteile haben wir demontiert, so dass die Hände die Räder ohne Umwege erreichen.
Die Rollstuhlbremsen lassen wir gelöst, um eine selbstständige Fortbewegung zu ermöglichen

Üben

Wir zeigten Herrn K. immer wieder, wie er den Rollstuhl mit Händen und Füßen bewegen kann.
Herr Kuno lernte dies schnell und bewegte sich den ganzen Tag sicher und selbstständig im Rollstuhl auf der Station.
Herr Kuno setzt sein operiertes Bein achtsam und passender Geschwindigkeit in Bewegung, er nimmt sich dafür viel Zeit und erreicht gleichzeitig seine angestrebten Ziele.

Entwicklung:

Herr K. wird deutlich ruhiger und konnte seinen Bewegungsdrang gefahrlos ausleben. Er hat Orientierung in sich gefunden!
Durch die aktive Nutzung des Rollstuhls wurde sein geschwächtes Bein gestärkt. Sein Bewegungsdrang verändert sich in Richtung differenzierte und passende Bewegung.

Vom Bewegungsdrang zur Bewegung:

  • Erhöhte Bewegungsfreiheit der Arme durch demontierte Armlehnen.
  • Sichere Gewichtsverlagerung und Einsatz der Beine durch Bodenkontakt.
  • Förderung der Selbstständigkeit und des Wohlbefindens in sicheren Positionen.

Herr Kuno beginnt nach wenigen Tagen wieder aufzustehen, jetzt jedoch mit wesentlich genaueren und passenderen Bewegungen, nach kurzer Zeit gewinnt die Gewissheit überhand: Herr Kuno kann, und will sein laufen wieder nutzen und gestalten. Wir Pflegende sind jetzt zuversichtlich und können dies mit wesentlich weniger Sorge in Bezug auf die Sturzgefahr zulassen.

Erich Weidmann April 2025
PS: Hier gibt es mehr zu Kinaesthetics und Demenz

Leitende Forschungsfrage

Wie kann  ich die Umgebung und die eingesetzten Mittel bei Bewegungsdrang so gestalten, dass die Gesundheitsentwicklung in Richtung Differenziertheit und  Vielfalt geleitet wird..

Ziel/Grundlegende Kompetenz

Herr Kuno kann im angepassten Rollstuhl, sein Gewicht Schritt für Schritt wieder so steuern, dass seine Bewegungen in Zeit, Raum und Anstrengung differenziert und vielfältig zur Aktivität passen.