Durch zwei PP gepflegt ?!
Nachtdienst an den Tagdienst: “Frau Bär musste von zwei PP gepflegt werden, sie war verstuhlt und aggressiv”. Diese Art der Beschreibung löst bei mir Unbehagen aus. Frau Bär ist Demenzbetroffen und hat nach einem Beinbruch über viele ihrer Bewegungen die Kontrolle verloren. Doch der Reihe nach.
An die Bettkannte; zu zweit den Weg gefunden!
Heute darf ich Frau Bär in meinem Dienst begleiten. Ich öffne die Tür und finde Frau Bär im Bett sitzend, leise summend vor. Ich weiß, dass Frau Bär heute Nacht schon gepflegt wurde. Daher nehme ich mir vor, die zur Verfügung stehende Zeit mit ihr gemeinsam zu gestalten. Eben Pflege zu zweit. Zusammen suchen wir einen Weg zur Bettkante. Dabei biete ich meine Arme an, an denen sie sich halten kann, gebe Impulse an den Beinen und warte immer wieder auf ihre Reaktion. So kann Frau Bär ihr Gewicht auf den linken Ellenbogen verlagern, gleichzeitig streckt sie die rechte Hand aus und fasst meine Hand. Jetzt kann sie sich behutsam aufrichten.
Essen erkennen, zwei auf der Suche
Ich serviere ihr erst einmal einen Kaffee. Sie braucht einen Moment, um diesen zu erkennen. Eine extra dick gestrichene Brotschnitte lege ich in ihre Hände und führe die Hand achtsam an ihren Mund. Es braucht auch da einen Moment, bis sie die Köstlichkeit erkennt. Ich verabschiede mich und lasse ihr Zeit.
Als ich zurückkomme, summt sie englische Lieder vor sich hin und beugt sich wiederholt in Richtung des gesunden Beins. Mir stellt sich die Frage, wie ihr das helfen kann, den Weg ins Stehen wiederzufinden…
Den Bewegungen Raum geben
Die Zeit, die ich jetzt zur Verfügung habe, nutze ich, um Frau Bär mit einer Körperemulsion einzureiben. Ich tue dies, um viele Interaktionen über Berühren und Bewegen zu gestalten. Dabei bin ich vor allem daran interessiert, zusammen mit Frau Bär, mögliche Bewegungen im verletzten Bein zu suchen. Mehr und mehr kann sie sich darauf einlassen. Sie beginnt, die Bewegungen aktiv mitzumachen. Verbal bezieht sie sich mehr und mehr auf die Aktivität. “Oh, das tut gut,” oder “Ist das kalt?” sagt sie. Auch beim Anziehen gibt sie sich in die Aktivität ein. Eben Pflege zu zweit!
In die Kleider kommen
Das hätten Sie sehen müssen. Ich helfe Frau Bär, die Bewegung in Richtung Kerze zu gestalten. Schließlich müssen wir ja die Hose hochziehen. Das ist ihr erst einmal fremd, sie hält sich mit aller Kraft an der Matratze fest. Ganz langsam helfe ich ihr, die Hand zu lösen. Überrascht schaut sie mich an und merkt, dass diese Bewegung ja geht und nicht weh tut. Also weiter in Richtung Kerze, es funktioniert. Jetzt Hose hochziehen. Ich bin ein wenig zu schnell und vielleicht auch mit zu viel Kraft am Helfen, was Frau Bär zurecht aggressiv macht. Langsam geht es wieder in Richtung Sitzen. Ich entschuldige mich bei Frau Bär, das war jetzt Pflege durch eine Pflegeperson denke ich mir…>>>herausforderndes Verhalten und Interaktion
Die Herausforderung zu dritt den Weg gesucht; statt durch 2 PP Mobilisiert
Der Transfer in den Rollstuhl ist die größte Herausforderung für Frau Bär. Wir tun das zu dritt: zwei Pflegepersonen und Frau Bär. Nachdem wir die Umgebung vorbereitet haben, möchten wir zusammen mit Frau Bär Schritt für Schritt einen tiefen Transfer gestalten. Dabei suchen wir die Bewegung in Richtung des gesunden Beins. Für Frau Bär ist das nicht verständlich und sie wehrt sich, sobald wir sie berühren. Sie scheint gelernt zu haben, dass jetzt mit ihr gemacht wird. So achtsam wie möglich übernehme ich die Aktivität trotz der Abwehr. Mit Kraft suche ich die Bewegung gegen das gesunde Bein. Das braucht einen Moment und Frau Bär verlagert Gewicht auf den Fuß. Meine Kollegin hilft ihr jetzt am Becken, einen ersten Schritt Richtung Rollstuhl zu machen. Dies wiederholen wir noch zweimal. Die Interaktion war herausfordernd und Frau Bär musste sich oft uns anpassen. Wir zwei Pflegende können uns immerhin an unser Absicht halten, nämlich die Interaktion unter der Idee: Pflege zu dritt! Zwei Pflegepersonen und Frau Bär zu gestalten. Darin waren wir noch nicht so erfolgreich, aber wir suchen weiter.
Erich Weidmann
Dezember 2024
Ziel/Grundlegende Kompetenz Patient
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