Ein Tag im Palliativ-Wohnbereich: Der Medikamentenprozess und die Bedeutung von Autonomie
Heute gestalte ich unseren Medikamentenprozess. In unserem Palliativ-Wohnbereich, in dem Menschen mit Demenz leben, ist es von größter Bedeutung, dass jeder Bewohner die richtigen Medikamente zur richtigen Zeit und in der richtigen Dosis erhält. Aber……
Marlies im Einsatz
Marlies hat heute Dienst und kümmert sich um die schwerbeeinträchtigten BewohnerInnen in der Oase. Schon früh am Tag fällt mir auf, wie sie stets nach Möglichkeiten sucht, den Bewohnern so viel Autonomie wie möglich zu ermöglichen. Ein besonderes Beispiel dafür ist Frau Meier.
Frau Meier und das Mittagessen
Frau Meier ist eine Bewohnerin, die trotz ihrer Demenz und großen Abhängigkeit immer noch Wert auf Selbstwirksamkeit und Autonomie legt. Marlies erkennt dies und gestaltet die Umgebung so, dass Frau Meier selbstständig essen kann. Sie unterstützt Frau Meier, vom Rollstuhl in einen normalen Stuhl zu wechseln. In verschieden Schritten sucht sie zusammen mit Frau Meier den Weg an die Rollstuhlkante. So kann Frau Meier für einen Moment Gewicht über die Beine organisieren und den Weg auf den Stuhl finden. In dieser Umgebung kann sie ihr Gewicht des Oberkörpers besser abgeben.
Unterstützung mit Feingefühl
Marlies reicht Frau Meier das Mittagessen und zeigt ihr mit sanften Berührungen und Worten, wo das Essen ist. Frau Meier greift nach einem Stück, doch bald wird klar, dass sie ihren Arm nicht bis zum Mund führen kann. Marlies analysiert die Situation neu und bietet Frau Meier ein Kissen für den Rücken an, in der Hoffnung, dass diese Unterstützung ihr hilft, den Kopf und Brustkorb weiter nach vorne zu bewegen.
Kleine Anpassungen, große Wirkung
Tatsächlich kommt Frau Meier ihrem Mund näher, doch es reicht noch nicht ganz. Marlies gibt nicht auf. Sie platziert ein Hirsekissen auf die Stuhllehne, sodass Frau Meiers Ellbogen abgestützt ist. Und siehe da, jetzt passen Position und Bewegungsmöglichkeiten zusammen, und Frau Meier kann das Stück Kartoffel zum Mund führen. Marlies lächelt zufrieden und sagt: «En Guete» Und Frau Meier laut und deutlich «Danke»
Ein Moment der Dankbarkeit für diese Beobachtung
In diesem Moment wird mir klar, dass der Medikamentenprozess nicht nur aus der Verabreichung von Medikamenten besteht. Es geht auch darum, den Bewohnern Momente der Selbstwirksamkeit und Autonomie zu ermöglichen. Frau Meier, die seit Jahren mit ihrer Demenz lebt, zeigt uns, wie wichtig diese kleinen Erfolge sind, auch wenn sie es nicht sprachlich ausdrücken kann. Dieser Tag hat mir gezeigt: Momente der Selbstwirksamkeit nützen mehr als Medikamente die ich am Verabreichen bin!
Erich Weidmann 25.9.24
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