Ein Tag voller Herausforderungen und Hoffnung, freiwillige HelferInnen und ihre Wirkung

Heute ist wieder so ein Tag, an dem es wirklich rund geht. Die Grippewelle hat uns fest im Griff und als Pflegekraft bin ich ständig damit beschäftigt, Prioritäten zu setzen und in jeder Situation das Richtige für meine Bewohner und mich zu finden. Dabei bleibt oft zu wenig Zeit für zwischenmenschliche Interaktionen, die nicht direkt mit der Grundpflege oder der Behandlung zu tun haben. Dieses beklemmende Gefühl, dass die wichtigen Aspekte der Pflege, wie “Beschäftigung”, “Sinnfindung” und “sich als Mensch fühlen” zu kurz kommen, kennen viele Pflegekräfte nur zu gut.

Mitten in dieser Hektik laufe ich durch den Flur und sehe zwei Bewohnerinnen, die freudestrahlend dasitzen. Eine Besucherin, die ich nicht kenne, liest ihnen gerade eine Strophe aus einem Gedicht vor. Danach kommen die drei ins Gespräch und lachen herzlich. Ich vermute, dass jemand vom Team der freiwilligen  HelferInnen  bei uns ist. Doch dann erkenne ich Lisa wieder.

Unfreiwillig im Pflegeheim

Vor zwei Jahren habe ich sie kennengelernt, als sie ihren Mann Werner in unseren Wohnbereich brachte. Seine Diagnose war unklar, da sein Verhalten sehr vielfältig und wechselhaft war. Kontrollierte Bewegungen gingen in unkontrollierte über, verständliche Sprache in unverständliche, Kontinenz in Inkontinenz, Entspannung in Anspannung, Gelassenheit in Aggression.

Loslassen

Lisa und ihr Mann haben in dieser Zeit viel durchgemacht. Ihr größter Wunsch war, dass Werner von seinen Leiden erlöst wird. Gemeinsam haben wir versucht, ihren Alltag so angenehm wie möglich zu gestalten und immer wieder nach neuen passenden Aktivitäten gesucht. Dadurch entstanden viele wertvolle zwischenmenschliche Momente und Lisa konnte trotz der schwierigen Situation Lebensqualität erfahren, sowohl für sich als auch für ihren Mann. Werner hat dann irgendwann losgelassen und seinen Frieden gefunden. Für Lisa war das sowohl eine Erleichterung als auch ein großer Verlust.

Es geht weiter

Beim Ausräumen von Werners Zimmer im Wohnbereich sagte Lisa zu mir: “Erich, ich brauche jetzt Zeit, um mit dieser neuen Situation umzugehen und mein Leben neu zu gestalten. Aber ich werde wiederkommen und euch im Wohnbereich unterstützen. Was ihr hier jeden Tag leistet, ist wirklich beeindruckend.”

Freiwillig wieder da

Heute, an diesem anstrengenden und etwas deprimierenden Tag, sehe ich Lisa wieder. Für mich ist sie wie ein Engel. Meine Kolleginnen erzählen mir, dass sie öfter hier ist und sich immer wieder Zeit nimmt, um mit unseren demenzkranken Bewohnern zusammen zu sein und nach passenden Beschäftigungen für sie zu suchen.

Wert schätzen was ist

Dieser Tag hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, auch in schwierigen Zeiten nach Momenten der Menschlichkeit und des Verständnisses zu suchen. Lisa ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie aus Schmerz und Verlust Hoffnung und Unterstützung entstehen können. Inmitten der Grippewelle und all der täglichen Herausforderungen erinnert mich ihre Anwesenheit daran, dass wir in unserer Pflegearbeit immer die kleinen, wertvollen Momente der Verbindung und des Mitgefühls schätzen müssen.