Vom 1. – 14 März 2017 besuchte Shukia Tchintcharauli auf Einladung der stiftung lebensqualität die Schweiz. Shukia lebt und arbeitet in Georgien. Als Kinaesthetics-Trainerin hat sie mit andern zusammen ein grosses Ziel: sie möchte Kinaesthetics in Georgien allen Menschen zugänglich machen. Shukia Tchintcharauli hat bei Erich Weidmann in einem Kinasthetics-Grundkurs hospitiert. Erich Weidmann hat mit Shukia über ihr grosses Ziel geprochen.

Erich Weidmann: Du bist die einzige Kinaesthetics-Trainerin in Georgien?
Shukia Tchincharauli: Ja, das stimmt. Ich habe im Jahr 2006 in Deutschland die Kinaesthetics-Trainerin 2 Ausbildung abgeschlossen. Jetzt, mehr als 10 Jahre danach, habe ich mit anderen Interessierten zusammen beschlossen, Kinaesthetics Georgien zu gründen.

Shukia, rechts im Bild

Weidmann: Wer in Georgien braucht Kinaesthetics?
Tchintcharauli: Besonders wichtig ist es für die vielen Pflegenden Angehörige. Gleichzeitig sehen wir die Aufgabe, Kinaesthetics auch den professionellen Pflegenden zugänglich zu machen.

Weidmann: Warum brauchen Pflegende Angehörige in Georgien Kinaesthetics so dringend?
Tchintcharauli: Bei uns wird traditionell zu Hause gepflegt. Pflegeheime, Rehabilationsinstitutionen oder ähnliches gibt es in Georgien fast nicht. Und wenn es sie gibt, sind deren Leistungen für die meisten Menschen nicht bezahlbar.

Weidmann: Verstehe ich das richtig? Pflegeabhängige Menschen werden fast ausschliesslich zu Hause gepflegt?
Tchintcharauli: Ja das ist so! Die Langzeitpflege findet zuhause statt. Oft sind die Familien allein gelassen! Die staatlichen Angebote sind bescheiden und an vielen Orten ungenügend.

Weidmann: Für uns Schweizer nur schwer vorstellbar!
Tchintcharauli: Ja, das mag sein. Bei uns in Georgien ist die Pflege und Betreuung der Angehörigen noch immer ein normaler Dienst am nächsten. Die Leute beklagen sich nicht darüber und sie unterstützen ihre Angehörigen so gut sie können.

Weidmann: Was ist deiner Meinung nach das wichtigste, was diese Menschen brauchen?
Tchintcharauli: Es geht um die Bewegungskompetenz. Wir müssen  diesen Leuten helfen, dass sie die Unterstützung und Pflege so gestalten können, dass die Bewegungsmöglichkeiten erhalten und weiterentwickelt werden können. Gleichzeitig geht es darum, dass Helfende sich weniger durch «tragen und heben» belasten. Mit Kinaesthetics werden diese Menschen, die oft keine Ausbildung besuchen konnten, die Möglichkeit haben, in ihrer eigenen Bewegung zu forschen und zu entdecken.

Weidmann: Was versprichst Du dir vom Besuch hier in der Schweiz?
Tchintcharauli:
Als einzige georgische Kinaesthetics-Trainerin in diesem grossen Land, fühle ich mich ab und zu einsam. Wenn ich Unterstützung, Diskussionen und Beratung brauche, kann ich dies nur per e-Mail oder Skyp tun. Deswegen habe ich das Gefühl, einiges verpasst zu haben..

Kinaesthetics Trainer zusammen in Bewegung

Weidmann: Das heisst, du konntest die «Kinaesthetics-Entwicklung» der letzten Jahre nicht über deine eigene Bewegung erfahren?
Tchintcharauli: Ja, in den letzten zehn Jahren hatte ich wenig Möglichkeiten, mich mit dieser Entwicklung auseinander zu setzen. Ich habe viele Workshops und Kurse gegeben, so wie ich das als richtig empfand.
Jetzt habe ich die Möglichkeit an verschiedensten Bildungsanlässen teilzunehmen. Dies wird mir helfen meine Grundkurse weiter zu entwickeln. Es ist mir wichtig im Austausch aktuelles Wissen zu erlangen, um damit meinen eigenen Weg in Georgien zu gestalten. Ich weiss, kopieren geht nicht, denn in Georgien sind die Bedürfnisse und Möglichkeiten anders.

Weidmann: Was ist für dich eine bemerkenswerte Entdeckung, seit du in der Schweiz bist?
Tchintcharauli: Ich bin im Übersetzer Team des EKA. Ich habe das Konzeptsystem und das Buch «Lernen und Bewegungskompetenz» in die Georgische Sprache übersetzt. Jetzt habe ich für mich festgestellt, es ist weit mehr als Text! Es geht darum, den Menschen zu helfen, aus der eigenen Erfahrung raus diese Texte zu verstehen. Ich habe auf meine eigene Bewegung geachtet und verstehe meine übersetzten Texte jetzt noch differenzierter.

Weidmann: Was ist dein Wunsch für die Entwicklung von Kinaesthetics in Georgien in den nächsten fünf Jahren?
Tchintcharauli: Es ist nicht nur ein Wunsch, sondern ein Ziel: ich möchte100 TeilnehmerInnen mit Grund und Aufbaukurs ausbilden und davon20 TeilnehmerInnen begeistern, dass siebereit sind, Kinaesthetics-TrainernIn zu werden. Dazu werden wir, wo immer möglich, auf die Bildungsangebote im Gesundheitswesen Einfluss nehmen. Auch geht es darum, die Entwicklung von Bewegungskompetenz zu stärken. Damit ich dazu bereit bin, beginnt für mich schon bald die Kinaesthetics-Trainerin Ausbildung zur Stufe 3.

Grundkurs in Tiflis, Frühling 2017

Weidmann: Ich wünsche dir in deiner Aufgabe von Herzen alles Gute und viele bedeutende Begegnungen, die dir helfen, diese Ziele zu erreichen. Herzlichen Dank für das Gespräch

Georgien ist ein eurasischer Staat an der Grenze zwischen Europa und Asien in Transkaukasien, östlich des Schwarzen Meeres und südlich des Großen Kaukasus gelegen. Im Norden wird er von Russland, im Süden von der Türkei und Armenien, im Osten von Aserbaidschan begrenzt. Sprache ist das Georgische, das von etwa 4 Millionen Menschen gesprochen wird. Die Sprache besitzt ein eigenes Alphabet, das seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. belegt, wahrscheinlich aber wesentlich älter ist.

Die Entwicklung der Kinaesthetics-Länderorganisation Georgien wird von der stiftung lebensqualität unterstützt.

Die stiftung lebensqualität kann für die Projekte und Aktivitäten nicht auf die Zinsen eines sehr grossen Stiftungsvermögens zurückgreifen. Die Finanzierung erfolgt über Spenden und Gönnerbeiträge. Die stiftung lebensqualität ist steuerbefreit. Spenden können entsprechend den kantonalen Richtlinien von den Steuern abgezogen werden.

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