Die Herausforderung von Frau Hylen
Frau Hylen hat es nicht einfach. Sich als Flüchtling in einer neuen Welt zurechtzufinden, ist schon eine große Herausforderung. Dies im hohen Alter zu tun, ist noch schwieriger. Und wenn man zusätzlich an Demenz leidet, wird es zur größten Herausforderung, die man sich vorstellen kann.
Unsere Begegnungen
Seit zwei Jahren begegne ich Frau Hylen regelmäßig. Sie benötigt Unterstützung bei der persönlichen Hygiene, beim Ausscheiden, beim Essen und Trinken sowie bei allen Transfers. Die Interaktionen mit ihr sind unglaublich vielfältig – von herzlichen Momenten, in denen sie mich mit einem warmen Lächeln begrüßt, bis hin zu Zeiten, in denen sie mich vehement abwehrt und meine Anwesenheit kaum erträgt.
Die Lektion der Kommunikation
Diese Situation ist eine echte Herausforderung, aber auch eine wertvolle Lektion. Sie zeigt mir, dass Kommunikation weit über Worte hinausgeht. Ablehnung kann bedeuten, dass sie mich versteht, aber nicht mit mir interagieren möchte. Vielleicht liegt es daran, dass ich unbewusst Druck in meiner Stimme oder Berührung habe, zu schnell rede oder mich bewege, oder an meiner starren Reihenfolge und Richtung der Angebote festhalte. Sie versteht mich, will das Angebot aber im Moment nicht annehmen.
Eine Reise des Lernens
Meine Erfahrung mit Frau Hylen ist eine Reise des Lernens. Sie bietet mir die Möglichkeit, als Suchender unterwegs zu sein und neue Wege zu entwickeln, um mit einem Menschen in Austausch zu treten, dessen Lebensgeschichte ich kaum erahnen kann. Jeder Tag mit ihr ist eine neue Lektion in Geduld, Empathie und Verständnis.
Erich Weidmann Januar 2025
Doppelt Fremd (Doppelt fremd Demenzerkrankung in der Migration am Beispiel von Italienerinnen und Italienern )
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