In diesem Artikel erfahren Sie, warum das Fragezeichen im Titel «Massen fassen, Zwischenräume spielen lassen» wichtig ist und warum das Zusammenspiel von Massen und Zwischenräume sich dazu eignet, Gewichtsverlagerung zu erfahren und zu beobachten.

Was ist Kinästhetik?

In einer deutschen Übersetzung könnte man sagen, die Kinästhetik ist die «Kunst der Bewegungswahrnehmung». Noch tiefer gehend ist es die Kunst, sich die Frage zu stellen: «Wie funktioniere ich?» Verschiedene Konzepte ermöglichen die wichtige Forschung im Rahmen dieser Erfahrungswissenschaft. Dies hilft, die eigene Gesundheit zu entwickeln.

Bekannt ist die Kinästhetik vor allem in der Pflege. Jede Pflegefachperson hat den Anspruch, ihre Bewegung so an PatientInnen anzupassen, dass diese sich selbst einbringen und ihre Möglichkeiten weiterentwickeln können. Darüber hinaus hat die Kinästhetik den Nutzen, die Gesundheit der Pflegefachpersonen zu erhalten.

Das Thema Massen und Zwischenräume ist ein kleiner, konzeptioneller Teil aus den Kinaesthetics-Konzepten. Was überhaupt ist Kinästhetik? >>> was ist Kinaesthetics

Anatomie

Massen und Zwischenräume

Es ist bei beim Thema Anatomie im Kontext der Kinästhetik wichtig zu verstehen, dass es dabei nicht um eine Anatomie geht, bei der man auf einem Tisch oder Bild die menschlichen Bestandteile fein säuberlich getrennt und schön beschriftet präsentiert, zum Beispiel in Knochen und Muskeln, in Scharnier, Zapfengelenke oder Kugelgelenke, in Beuge-, Streck- und in eine glatte Muskulatur. Denn es handelt sich im Kontext der Kinästhetik um das Konzept «Funktionale Anatomie».

Das Konzept «Funktionale Anatomie»Funktionale Anatomie

Vielmehr geht es im Konzept «Funktionale Anatomie» darum zu verstehen, wie wir unser Gewicht in der Schwerkraft bewegen. Diese Bewegung wird dabei als ein dauerndes Zusammenspiel von stabilen und instabilen Eigenschaften des Körpers erfahren. In diesem Spiel wird die Knochenstruktur als stabil und die Muskulatur als instabil bezeichnet.

Massen und ZwischenräumeMassen und Zwischenräume

Eine weitere Beschreibung von stabil und instabil bietet die Unterscheidung von Massen und Zwischenräumen. Stabil sind die Massen Kopf, Brustkorb, Becken, Arme und Beine. Zwischenräume sind Hals, Schultergürtel, Taille und Hüftgelenke, sie sind instabil. Hier können Bewegungen in viele Richtungen stattfinden. Massen haben Gewicht und können nur durch die Zwischenräume bewegt werden. Jedes an Land lebende Säugetier hat sieben Massen und sechs Zwischenräume.

Ein kleines Wortspiel: «Drehen Sie bitte Ihren Kopf. Entschuldigung, ich meine den Kopf nicht den Hals» – «Das geht ja gar nicht.» – «Okay, dann drehen Sie bitte mal Ihren Hals. Entschuldigung nicht den Kopf…..

Massen fassen, Zwischenräume spielen lassen?

En Bloc gedreht zu werden im Unterschied zur Erfahrung, Zwischenräume im Körper (Hals, Taille, Leiste, Schulter) zu nutzen, um einen harmonischen Bewegungsablauf zu ermöglichen, ist im wahrsten Sinne bemerkenswert. Das oft genutzte Motto «Massen fassen, Zwischenräume spielen lassen!» von TrainerInnen bleibt oft über Jahre hinweg in den Köpfen von Kurs-TeilnehmerInnen hängen.

Warum das Fragezeichen?

Gehen Sie mit mir einig, dass der erste Teil «Massen fassen» ein wenig einfach und vielleicht auch ein wenig manipulativ daherkommt? Die Kinästhetik betont im Konzept «Interaktion» die Bedeutung der eigenen Wahrnehmung und darauf aufbauend die passende Gestaltung der eigenen Bewegung. Daraus entwickelt sich die Kompetenz, sich an andere Menschen anzupassen und mit ihnen nach neuen Bewegungsmöglichkeiten zu suchen.

Darum empfehle ich Ihnen diesen Spruch, der zwar etwas holprig daherkommt, aber den Kern der Sache besser trifft: «Massen berühren, begleiten oder führen und Zwischenräume spielen lassen».

Probieren Sie es selbst

Bewegen Sie sich in eine beliebige Richtung (zum Beispiel von der Rückenlage in die Seitenlage drehen). Sie erfahren, wie die Massen nacheinander bewegt werden. Dabei werden Sie die Möglichkeiten der Zwischenräume mehr oder weniger nutzen, daraus entstehen für die gewählte Aktivität viele Varianten.

Probieren Sie es mit einem anderen Menschen

Helfen Sie einer anderen Person, sich zur Seite zu drehen. Beginnen Sie so: Legen Sie ihr die Arme auf den Brustkorb, stellen Sie die Beine an und jetzt drehen Sie die PartnerIn sozusagen an einem Stück zur Seite. Verändern Sie die Unterstützung nun so, dass Sie die Massen nacheinander bewegen können. Suchen Sie verschiedene Varianten und Sie werden merken, welchen Einfluss die Extremitäten auf die Bewegung haben. Wenn die PartnerIn die Möglichkeit hat, die Extremitäten selbst zur Bewegungssteuerung einzusetzen, indem sie mit den Massen Gewicht abgegeben kann, dann wird aus dem einseitigen Bewegen eine gemeinsame Bewegung, an der beide partizipieren.

Bedeutung der Kinästhetik in der Begleitung von Menschen, die ihr Leben mit Einschränkungen meistern

Menschen, die Unterstützung benötigen, sind darauf angewiesen, dass sie Gewichtsverlagerungen so erfahren, dass sie mit ihren Massen Gewicht abgeben können. Wird der Körper gehoben oder en bloc bewegt –«Hauruck-Methode» –, wird die Steuerung des Gewichts herausfordernder. Die Begleitperson kann mit dem Verständnis vom Zusammenspiel der Massen und Zwischenräume mit dem betroffenen Menschen nach passenderen Möglichkeiten suchen. Das selbst auszuprobieren und darauf zu achten, welche Massen sich in welcher Reihenfolge bewegen, ist eine der Grundideen der Kinästhetik.

Erich Weidmann ist Krankenpfleger, Kinaesthetics-Trainer und -Ausbilder und lebt in Hausen (Kanton Aargau, Schweiz). www.bewegt.ch

Janaur 2019

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Rutschbrett? – Gehbrett!

Was ist Kinästhetik?

In einer deutschen Übersetzung könnte man sagen, die Kinästhetik ist die «Kunst der Bewegungswahrnehmung». Noch tiefer gehend ist es die Kunst, sich die Frage zu stellen: «Wie funktioniere ich?» Verschiedene Konzepte ermöglichen die wichtige Forschung im Rahmen dieser Erfahrungswissenschaft. Dies hilft, die eigene Gesundheit zu entwickeln.

Bekannt ist die Kinästhetik vor allem in der Pflege. Jede Pflegefachperson hat den Anspruch, ihre Bewegung so an PatientInnen anzupassen, dass diese sich selbst einbringen und ihre Möglichkeiten weiterentwickeln können. Darüber hinaus hat die Kinästhetik den Nutzen, die Gesundheit der Pflegefachpersonen zu erhalten.

Das Thema Massen und Zwischenräume ist ein kleiner, konzeptioneller Teil aus den Kinaesthetics-Konzepten. Was überhaupt ist Kinästhetik? >>> was ist Kinaesthetics

«Erfahrung schafft Wissen»

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Erich Weidmann, Kinaesthetics-Trainer
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Anatomie

Es ist bei beim Thema Anatomie im Kontext der Kinästhetik wichtig zu verstehen, dass es dabei nicht um eine Anatomie geht, bei der man auf einem Tisch oder Bild die menschlichen Bestandteile fein säuberlich getrennt und schön beschriftet präsentiert, zum Beispiel in Knochen und Muskeln, in Scharnier, Zapfengelenke oder Kugelgelenke, in Beuge-, Streck- und in eine glatte Muskulatur. Denn es handelt sich im Kontext der Kinästhetik um das Konzept «Funktionale Anatomie».

Das Konzept «Funktionale Anatomie»

Vielmehr geht es im Konzept «Funktionale Anatomie» darum zu verstehen, wie wir unser Gewicht in der Schwerkraft bewegen. Diese Bewegung wird dabei als ein dauerndes Zusammenspiel von stabilen und instabilen Eigenschaften des Körpers erfahren. In diesem Spiel wird die Knochenstruktur als stabil und die Muskulatur als instabil bezeichnet.

Massen und Zwischenräume

Eine weitere Beschreibung von stabil und instabil bietet die Unterscheidung von Massen und Zwischenräumen. Stabil sind die Massen Kopf, Brustkorb, Becken, Arme und Beine. Zwischenräume sind Hals, Schultergürtel, Taille und Hüftgelenke, sie sind instabil. Hier können Bewegungen in viele Richtungen stattfinden. Massen haben Gewicht und können nur durch die Zwischenräume bewegt werden. Jedes an Land lebende Säugetier hat sieben Massen und sechs Zwischenräume.

Ein kleines Wortspiel: «Drehen Sie bitte Ihren Kopf. Entschuldigung, ich meine den Kopf nicht den Hals» – «Das geht ja gar nicht.» – «Okay, dann drehen Sie bitte mal Ihren Hals. Entschuldigung nicht den Kopf…..

Massen fassen, Zwischenräume spielen lassen?

En Bloc gedreht zu werden im Unterschied zur Erfahrung, Zwischenräume im Körper (Hals, Taille, Leiste, Schulter) zu nutzen, um einen harmonischen Bewegungsablauf zu ermöglichen, ist im wahrsten Sinne bemerkenswert. Das oft genutzte Motto «Massen fassen, Zwischenräume spielen lassen!» von TrainerInnen bleibt oft über Jahre hinweg in den Köpfen von Kurs-TeilnehmerInnen hängen.

Warum das Fragezeichen?

Gehen Sie mit mir einig, dass der erste Teil «Massen fassen» ein wenig einfach und vielleicht auch ein wenig manipulativ daherkommt? Die Kinästhetik betont im Konzept «Interaktion» die Bedeutung der eigenen Wahrnehmung und darauf aufbauend die passende Gestaltung der eigenen Bewegung. Daraus entwickelt sich die Kompetenz, sich an andere Menschen anzupassen und mit ihnen nach neuen Bewegungsmöglichkeiten zu suchen.

Darum empfehle ich Ihnen diesen Spruch, der zwar etwas holprig daherkommt, aber den Kern der Sache besser trifft: «Massen berühren, begleiten oder führen und Zwischenräume spielen lassen».

Probieren Sie es selbst

Bewegen Sie sich in eine beliebige Richtung (zum Beispiel von der Rückenlage in die Seitenlage drehen). Sie erfahren, wie die Massen nacheinander bewegt werden. Dabei werden Sie die Möglichkeiten der Zwischenräume mehr oder weniger nutzen, daraus entstehen für die gewählte Aktivität viele Varianten.

Probieren Sie es mit einem anderen Menschen

Helfen Sie einer anderen Person, sich zur Seite zu drehen. Beginnen Sie so: Legen Sie ihr die Arme auf den Brustkorb, stellen Sie die Beine an und jetzt drehen Sie die PartnerIn sozusagen an einem Stück zur Seite. Verändern Sie die Unterstützung nun so, dass Sie die Massen nacheinander bewegen können. Suchen Sie verschiedene Varianten und Sie werden merken, welchen Einfluss die Extremitäten auf die Bewegung haben. Wenn die PartnerIn die Möglichkeit hat, die Extremitäten selbst zur Bewegungssteuerung einzusetzen, indem sie mit den Massen Gewicht abgegeben kann, dann wird aus dem einseitigen Bewegen eine gemeinsame Bewegung, an der beide partizipieren.

Bedeutung der Kinästhetik in der Begleitung von Menschen, die ihr Leben mit Einschränkungen meistern

Menschen, die Unterstützung benötigen, sind darauf angewiesen, dass sie Gewichtsverlagerungen so erfahren, dass sie mit ihren Massen Gewicht abgeben können. Wird der Körper gehoben oder en bloc bewegt –«Hauruck-Methode» –, wird die Steuerung des Gewichts herausfordernder. Die Begleitperson kann mit dem Verständnis vom Zusammenspiel der Massen und Zwischenräume mit dem betroffenen Menschen nach passenderen Möglichkeiten suchen. Das selbst auszuprobieren und darauf zu achten, welche Massen sich in welcher Reihenfolge bewegen, ist eine der Grundideen der Kinästhetik.

Erich Weidmann ist Krankenpfleger, Kinaesthetics-Trainer und -Ausbilder und lebt in Hausen (Kanton Aargau, Schweiz). www.bewegt.ch

Januar 2020