Gehbrett!

Warum das Rutschbrett einen neuen Namen braucht!

Warum sollte man dem Rutschbrett einen anderen Namen geben? Es gibt diese Bewegungshilfe in verschiedenen Arten, Farben und Formen und zu unterschiedlichen Preisen. Doch es stellt sich die Frage: Welches Rutschbrett ist das richtige? In diesem Artikel geht es nicht um Form, Farbe oder Preis. Wir nehmen Stellung dazu, welche Bedeutung «Rutschen versus gehende Fortbewegung» für die Gesundheitsentwicklung eines unterstützungsbedürftigen Menschen haben kann. Denn die Art und Weise, wie ich die «Bretter» nutze, ist bedeutend.

Rutschen ist anspruchsvoll.

Niemandem kommt es vermutlich in den Sinn, ein Kleinkind unbegleitet eine Rutschbahn benutzen zu lassen. Sie werden aber mit viel Freude darangehen, das Kind so zu unterstützen, dass es sein Gewicht während des Rutschens kontrollieren kann. Sobald dies gelingt, macht Rutschen Spaß – leider nur hinunter, denn Hinaufrutschen funktioniert nicht.

Vom Rutschbrett zum Gehbrett.

Grundsätzlich kann ein Mensch nur dann rutschen, wenn ein Gefälle und eine passende Unterlage dies ermöglichen. Doch man kann nachhelfen und mit geeigneter Gewichtsverlagerung ein Rutschen auslösen. Dies geschieht unter anderem auch bei der Zuhilfenahme eines Rutschbretts. Das Rutschen wird dann mehr oder weniger zu einer Art von Gehen und das Rutschbrett so zum Gehbrett (Brücke).

Probieren Sie es aus.

Setzen Sie sich an die Stuhlkante und versuchen Sie, nach hinten zu rutschen. Sie werden bemerken, dass dies nur dann geht, wenn Sie das Gewicht zu verlagern beginnen. Dies kann man auf sehr vielfältige Weise tun. Sie werden weiter beobachten können, dass zum Beispiel bei einem glatten, nach hinten geneigten Stuhl nur wenig Gewichtsverlagerung notwendig ist. Wenn der Stuhl weich und die Oberfläche beispielsweise aus Stoff ist, werden Sie wiederum bemerken können, dass wesentlich mehr Gewichtsverlagerung für das Rutschen notwendig ist. So gesehen beginnen Sie, eine gehende Bewegung zu gestalten. Diese lässt sich Schritt für Schritt beobachten.

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Die 3 Elemente eines Schrittes bei der Fortbewegung vom Bett in den Rollstuhl (mit Brett):

Element 1

Gewicht im Körper verlagern

In dieser Position wird Gewicht über die Arme und die Füße abgegeben.

Element 2

Danach entlastete Teile bewegen

Je stärker es möglich wird, Gewicht zu verlagern, desto weniger Anstrengung benötigt man für die Bewegung

Element 3

Gewicht ausgleichen

Durch diesen Ausgleich wird es möglich, die Beine neu zu positionieren.

«Transfers» mit Kinaesthetics-Konzepten.

Kann es sein, dass Sie beim Betrachten der Bilder gedacht haben «So einfach geht das nicht!»? Sie haben recht! Transfers, die ein Hilfsmittel wie das Gehbrett bedingen, werden für Menschen entwickelt, die mit starken Einschränkungen leben. Diese Menschen sind darauf angewiesen, Bewegungen in sich selbst nachvollziehen zu können, um in kleinen Schritten mehr und mehr bei der Bewegungsgestaltung mithelfen und dadurch die eigene Bewegungskompetenz wiederentdecken zu können.

«Erfahrung schafft Wissen»

Erich Weidmann, Kinaesthetics-Trainer

Über sieben Brücken musst du gehen.

Die Bewegungsabläufe in der eigenen Bewegung differenziert zu beobachten und zu beschreiben, ist die Grundlage, um mit anderen Menschen passende Wege in der Bewegungsgestaltung zu entwickeln. Dies geschieht, indem Sie sich gezielt immer wieder auf Ihre eigenen Bewegungen fokussieren. Beobachten Sie in diesem Zusammenhang beispielsweise Ihre eigene Bewegung, während Sie über ein Gehbrett gehen. Gestalten Sie die drei oben beschriebenen Elemente unterschiedlich (zum Beispiel mehr oder weniger Gewicht auf die Füße abgeben und so weiter).
Tun Sie dies, ohne auf bestimmte Aspekte zu achten, fühlen Sie sich vermutlich wegen all dem «Was soll ich da beobachten und was hat das mit meiner BewohnerIn zu tun?» überfordert. Hier helfen einfache und konkrete Fragen aus den Kinaesthetics-Konzepten: die Blickwinkel. Probieren Sie es aus.

Rutschen versus Gehen.

Wir sind überzeugt, dass Sie durch die Bearbeitung dieser Forschungsfragen im Alltag neue Perspektiven auf das ominöse «Rutschbrett» haben werden. Sicherlich haben Sie festgestellt, wie wichtig eine differenzierte Gewichtsverlagerung ist. Die passende Anleitung orientiert sich stark am Gehen.

Es ist besser Brücken, anstelle rutschender Untergründe zu bauen.

(abgeändertes afrikanisches Sprichwort)

Nennen wir es «Gehbrett»!

Stellen Sie sich vor, Sie bezeichnen dieses Hilfsmittel weiterhin als Rutschbrett, währenddessen Sie erfolgreich die drei Elemente eines Schrittes anleiten. Irgendwie passt das einfach nicht ganz. Wir schlagen vor, dem Objekt Transferbrett, Gehbrett oder Brücke zu sagen. Damit werden Sie vermutlich die «gehende Fortbewegung in den drei Elementen» suchen – und Sie werden sie finden. Hoffentlich werden Sie auch gefragt, warum Sie dieses nun so nennen. Dann können Sie Ihre Erkenntnisse mit der fragenden Person teilen.
Wir haben für Sie zwei «Arbeitsblätter» angefügt, mit denen Sie die Fortbewegung mithilfe eines Brettes differenziert untersuchen können. Dabei geht es uns hauptsächlich darum, Sie als Pflegefachperson darin zu unterstützen, im Alltag noch mehr Möglichkeiten zu entwickeln, schwer beeinträchtigte Menschen so zu begleiten, dass die Pflegesituation für alle Beteiligten weniger belastend ist.
Wir freuen uns über jegliche Rückmeldungen, Kommentare und Ideen, welche die Nutzung dieser Arbeitsblätter verbessern.

Copyleft

Wir freuen uns, wenn Sie diesen Artikel teilen und die angefügten Arbeitsblätter in Ihrer Praxis benutzen. Dürfen wir Sie bitten, uns an Ihren Weiterentwicklungen teilhaben zu lassen?
Wir freuen uns über Rückmeldungen an: info@bewegt.ch     oder in der Kommentarfunktion unten.
Wir wünschen Ihnen und Ihren BewohnerInnen nur die passendsten Bewegungen, wenn Sie über die Brücke gehen!

Ihre bewegt.ch-Schreibwerksatt

AutorInnen: Eveline Bernhardt-Ehrsam, Barbara Meier, Sidonia Scheuer und Erich Weidmann