Stärkung der Pflege mit Kinaesthetics Demenzmodulen – Lernen durch Berühren und Bewegen

Das Alterswohnheim Hungacher hat sich 2019 dafür entschieden dem Personal jährlich die Teilnahme an einem den von European Kinaesthetics Assiationen entwickelten Demenzmodulen zu ermöglichen. In diesem Beitrag äussern sich Maggie Hess und Cyrill Strub zu dieser bewegten Zeit.

Es lohnt sich nicht erst morgen damit anzufangen, sondern besser gestern >>>

Cyrill Strub, Pflegedienstleitung und Maggi Hess, Pflegemitarbeiterin Alterswohnheim Hungacher, Beckenried

Warum Kinaesthetics Demenzmodule

«Demenz ist zunehmend unser Kernthema, welches uns in unserem Berufsalltag begleitet und uns in unserem Handeln beeinflusst.
Nur durch aktives Reflektieren unserer Möglichkeiten, lernen wir durch Kreativität und Offenheit, neue Ansätze im Umgang mit demenziel erkrankten Menschen kennen.
Dies fördert unser pflegerisches Verständnis für die Zukunft, hilft es weiterzuentwickeln und dadurch für neue zunehmende Herausforderungen im Pflegealltag besser vorbereitet zu sein.
Das Thema Demenz sollte ein kontinuierliches gesetztes Bildungsthema im Heimalltag sein.

Erich Weidmann*: Cyrill, als Pflegedienstleiter bist Du nicht mehr so oft direkt am Pflegebett, trotzdem war es dir wichtig die Module zu besuchen.

Cyrill Strub*: Die Frage, die ich mir stellte, war: Was braucht es, um in einem Heim Kinaesthetics zu unterstützen und lebendig zu halten? Wie kann ich in meiner Rolle als PDL dies unterstützen? Um andere Begeistern und Motivieren zu können, muss ich mich selbst zuerst begeistern lassen, darum bin ich das Wagnis eingegangen und habe mich für diese Module angemeldet.

Erich: Was sind deine wichtigsten Entdeckungen?

Cyrill: Ich hätte nie gedacht, dass im Kleinen so viel Grosses steckt, dass ich Kinaesthetics nur verinnerlichen kann, wenn ich die Grundlage verstehe und Erfahrungen machen kann, die mich nachdenklich machen.

Alterswohnheim Hungacher >>>

Im Dorf zu Hause

Alterswohnheim Hungacher
Die Stiftung Altersfürsorge ist seit 1990 Trägerin des Alterswohnheimes Hungacher. Mit dem aktuellen Motto «familiär und kompetent» begegnet das Wohnheim seinen 42 BewohnerInnen. Dabei stellen sich die MitarbeiterInnen der Herausforderung ein Daheim zu bieten und gleichzeitig kompetent auf die unterschiedlichen Bedürfnisse pflegeabhängiger Menschen einzugehen. Die Integration von Demenzbetroffenen Menschen in den Alltag der Institution ist eine wichtige Aufgabe, die sich der das Alterswohnheim Hungacher gestellt hat. Um sich den unterschiedlichsten Themen, die in der Pflege und Betreuung von Demenzbetroffen Menschen auftauchen, anzunehmen hat sich die Leitung vor vier Jahren entschieden die Kinaesthetics Demenzmodule als Lern- und Entwicklungsperspektive für die MitarbeiterInnen zur Verfügung zu stellen.

Peer Tutoring

Erich: Du hast Dich entschieden zusätzlich eine Peer Tutoren Ausbildung zu besuchen, um Deine MitarbeiterInnen noch besser zu unterstützen…

Cyrill: Ja, durch die Peer Ausbildung wollte ich meine persönlichen Erfahrungen vertiefen, und meine Erfahrung mit Andern Teilen. Zusätzlich aber auch Lernen, wie kann ich Andere dafür begeistern und durch Erfahrungssituation motivieren, kreativ und unkonventionell neue Bewegungsabläufe zu entdecken und dies an Bewohnende weiterzugeben. Dafür hat sich die Peer Ausbildung gelohnt. Sie hat mir gezeigt, dass dem Lernen und Entdecken keine Grenzen gesetzt sind.

Begleitende Unterlagen

Erich: Die Module sind mit umfangreichem Text aufbereitet, welche größtenteils im Selbststudium bearbeitet wird. Wie ging es Dir damit?

Cyrill: Wenn ich außerhalb vom Betrieb in geschütztem Umfeld etwas lernen kann, ist es einfacher, als wenn ich im Tagesgeschäft Zeit freischaufeln muss, um nebenbei persönliche Lernsituationen zu schaffen. Aber ich konnte auch in meinem Büro auf dem Boden körperliche Erfahrungen sammeln, um die Aufgaben so gut wie möglich zu erledigen.

Erich: Warum sollen andere Institutionen diese Demenzmodule auch gebrauchen?

Cyrill: Inhaltlich liegt der Schwerpunkt bei der Demenz. Es wird vertiefter auf die Kommunikation geachtet. Gerade im Umgang mit demenziell erkrankten Menschen findet eine andere Kommunikation statt. Es wird schwieriger, das Gegenüber zu verstehen und Lernsituationen zu schaffen und neue Bewegungsmuster zu entwickeln. Diese Module befähigen die Teilnehmer, sich in diese spezialisierte Kommunikation einzulassen und dadurch neue Interaktionswege zu entdecken.

Vom «Schemas» zum Suchen

Erich: Vor vier Jahren begannen die Schulungen mit dem Demenz-Modul1 «Sich und die Welt wahrnehmen» Was waren für Dich die wichtigsten Entdeckungen?

Maggie Hess*: Ich bemerkte, dass ich mir nach dem Kinaesthetics Grundkurs einige «Schemas» angeeignet hatte, darum erwartete ich im ersten Modul, mehr fertige Lösungsansätze zu bekommen! Doch durch die Module habe ich verstanden, dass mich meine alte Vorstellung und Erwartungen in meiner Kreativität für Lösungsansätze eher behinderten und ich nicht fähig war, mich auf mein Gegenüber voll und ganz einzulassen.

Erich: Was gelingt dir nun besser, wenn du die Beziehung in den Vordergrund stellst?

Maggie: Dies führte mich dazu, gemeinsam mit meinem Gegenüber zu Suchen und neue Bewegungsmuster zu entdecken. Dadurch war die Kommunikation oft auch nonverbal einfacher geworden. Aha-Erlebnisse ergaben sich, welche mich in meinem Handeln bestätigte, neu Motivierte und ich durch diese Erweiterung der Möglichkeiten mehr Lösungsansätze für mich und mein Gegenüber anbieten konnte.

Erich: Was hat dir geholfen, dich dahin zu entwickeln?

Maggie: Die grösste Erkenntnis war, dass ich zuerst meine Bewegungskompetenz erfahren, entdecken und verstehen musste. Nur so konnte ich eine Vorstellung bekommen, was im Gegenüber möglich und machbar ist und dementsprechende passende Bewegungsmöglichkeiten anbieten.

Hilfreiches Lernprojekt

Erich: Die Module hatten im Anschluss an den jeweilige Workshoptag ein strukturiertes Lernprojekt, hat dir das in deinem Lernen geholfen?

Maggie: Mir hat es sehr geholfen.

Zusammen mit dem Team haben wir Pflegesituationen analysiert, reflektiert und ausprobiert. Dabei habe ich gelernt, dass im Miteinander der Lerneffekt grösser ist und die Kreativität und die Lösungsansätze für alle Beteiligten zunimmt. Gemeinsame Aha-Erlebnisse die Motivation im Umgang mit dem Thema Kinaesthetics fördern und dadurch die persönliche Haltung im Umgang mit Bewegungskompetenz sich positiv verändert.

Erich: Ist diese Art von Analyse über eigene Bewegung in eurem Alltag integriert?

Maggie: Bei schwierigeren pflegerischen Situationen haben wir dieses analytische Vorgehen integriert. Ich wünschte mir aber, dass wir es schaffen, auch in einfacheren Situationen mehr Zeit in das Beobachten, analysieren und Lernen zu investieren.

Erich: Du hast vier Teilnehmerhefte erhalten mit vielen Texten, habe dir diese geholfen?

Maggie: Mir hat das sehr geholfen, mich auf die Weiterbildungstage vorzubereiten und im Nachhinein Themen nachzulesen oder mich durch die Notizen wieder an Situationen und Erfahrungen zu erinnern.

Erich: Warum sollen andere Institutionen diese Demenzmodule auch nutzen?

Maggie: Es ist eine gute Möglichkeit Mitarbeitende zu befähigen im Umgang mit demenziell erkrankten Menschen achtsamer, emphatischer und kreativer in Beziehung zu treten.

Maggie Hess, Pflegemitarbeiterin
Alterswohnheim Hungacher, Beckenried

Cyrill Strub, Pflegedienstleiter
Alterswohnheim Hungacher, Beckenried

Erich Weidmann, Kinaesthetics Trainer, Hausen AG